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Wenig Augenmaß: Der KGH und Gastmitgliedschaften in der Diakonie

Der Kirchengerichtshof schließt Gastmitglieder der Diakonie aus dem Geltungsbereich des MVG.EKD aus.

Die Zugehörigkeit zur Diakonie ist für viele Werke und Unternehmen sehr wichtig, aufgrund ihrer Identität als Teil der evangelischen Kirche, aufgrund des kirchlichen Arbeitsrechts, dass Leitung und Arbeitnehmer in einer Dienstgemeinschaft vereint aber auch, weil für viele soziale Dienstleistungen die Mitgliedschaft in einem Spitzenverband der Wohlfahrt notwendig ist. Doch es ist nicht einfach zur evangelischen Kirche zu gehören, zumindest als gemeinnützige Initiative oder gemeinnütziges Unternehmen, das es sich auf die Fahnen geschrieben hat, christliche Werte mit evangelischer Prägung durch soziale Angebote mit Leben zu füllen.

Die inhaltliche Profilierung reicht dafür bei Weitem nicht. Die nach wie vor regional entlang der Grenzen des Wiener Kongresses aufgeteilte Verbandsdiakonie sieht darüber hinaus vielfältige Pflichten vor, die zu erfüllen sind, soweit man der evangelischen Kirche zugeordnet sein will. Diese reichen von Pfarrerquoten im Vorstand über Heimfallklauseln bis zur Verpflichtung, bestimmten, im dritten Weg zustande gekommene tarifliche Regelungen anzuwenden.

Letzteres macht vielen Diakonieunternehmen Not. Da sie oft klein und kapitalschwach sind und sich in schlecht refinanzierten Märkten bewegen tun sie sich schwer, ihren Mitarbeitern die großzügigen Tarife der kirchlichen Arbeitsvertragsrichtlinien zu zahlen.

Gerade im Osten der Republik hat sich aufgrund der Finanznot vieler Kommunen das Preisniveau im Sozialbereich so entwickelt, dass darüber eine Entlohnung gemäß AVR.DD vielerorts nicht refinanzierbar ist.

Die örtliche Diakonie hat deshalb vielerorts Träger, die nicht nach Tarif zahlen können als Gastmitglieder aufgenommen. Der Status unterscheidet sich im Wesentlichen dadurch von der regulären Mitgliedschaft, dass einzelne Mitgliedspflichten, etwa zur Anwendung bestimmter Arbeitsvertragsrichtlinien ausgenommen sind. Im Gegenzug haben die Gastmitglieder oft kein Stimmrecht in den Verbandsgremien.

Seitdem das kirchliche Arbeitsrecht seitens der Politik, aber auch des BAG unter Druck steht, bemühen sich die Diakonie und EKD, solche „Tarifausreißer“ zur Raison zu bringen. In seinem Beschluss vom 30.1.2017 (https://www.kirchenrecht-ekd.de/document/38235#) hat der KGH die „Gastmitgliedschaften“ praktisch abgeschafft, da er festgestellt hat, dass „Eine Gastmitgliedschaft schon begrifflich nicht als Mitgliedschaft zu verstehen ist, weil ein Gast nicht zugleich reguläres Mitglied sein kann.“

In der konkreten Entscheidung hat der KGH damit der klagenden Mitarbeitervertretung jedes Mitspracherecht im Unternehmen genommen, da diese sich nach der Entscheidung nicht mehr auf Rechte aus dem MVG.EKD berufen kann.

Keiner bekommt dadurch mehr Geld. Die Arbeitnehmer verlieren damit ihre Vertretung und Stimme gegenüber der Geschäftsleitung.

In dem Bemühen, innerhalb der Diakonie die flächendeckende Anwendung tariflicher Regelungen zu erzwingen, entkleidet der KGH damit zuvorderst die Mitarbeitenden, die geschützt werden sollen, ihrer Mitwirkungsrechte.
Es stellt sich dabei erneut die Frage, inwieweit es bei der Diskussion um das kirchliche Arbeitsrecht wirklich um die Interessen der betroffenen Arbeitnehmer geht.

Die Diakonie besteht im Wesentlichen aus kleinen und mittleren Unternehmen. Selbst die zehn größtem Träger entsprechen aufgrund ihres Umsatzvolumens lediglich kleinen bis mittleren Mittelständlern.

Unternehmen der Erwerbswirtschaft in dieser Größenordnung sind zum allergrößten Teil nicht tarifgebunden, ohne dass dies ein großes Thema wäre.

Nachdem auch die anderen Markteilnehmer im Sozialmarkt ähnliche Größenverhältnisse aufweisen, sehen sich die Betriebe einer weitgehend nicht tarifgebundenen Konkurrenz ausgesetzt. Das erzeugt erheblichen Druck dem sich die Diakonieunternehmen mit den Verbänden durch „Ausweichregelungen“ wie die Gastmitgliedschaften zu entziehen versuchen.

Drängt man die Unternehmen, die die teuren und in vielen Hilfefeldern nicht refinanzierbaren Diakonietarife nicht zahlen können, aus den Diakonischen Werken heraus, dann hat man den Mitarbeitenden ein Bärendienst erwiesen, da man ihnen die weitgehende Mitsprache und Teilhabe, die das kirchliche Betriebsverfassungsrecht bietet versagt.

Den Arbeitgebern dagegen erlässt man durch den Ausschluss neben der Pflicht zur Zahlung des Tariflohns auch noch die Pflicht, die Mitarbeitenden mitbestimmen zu lassen.

Das zeugt von wenig Augenmaß.